Warum die Impfdebatte das Thema verfehlt

Warum die Impfdebatte das Thema verfehlt

 

 Optimismus kann man lernen

 

Zuerst die schlechte Nachricht: 50% der Menschheit sind geborene Pessimisten. Pessimisten neigen dazu, Probleme zu katastrophisieren. Außerdem finden Pessimisten für alle Übel dieser Welt immer genau einen Schuldigen: Sich selbst. In der Steinzeit, als der homo sapiens noch täglich um sein Überleben kämpfen musste, war Pessimismus gar keine schlechte Idee. Es zahlte sich einfach aus, extrem paranoid zu sein. Wer nicht immer gleich das Schlimmste vermutete und sich sofort darauf vorbereitete, der war bald Geschichte. Ob giftige Spinnen, Schlangen, Säbelzahntiger oder einfach eine Horde hungriger, Keulenschwingender Neanderthaler – Tod und Verderben lauerten unter jedem Stein und hinter jeder Ecke. Wer unter solchen Umständen nicht extrem vorsichtig und ständig auf der Hut vor Tod und Teufel war, den gab es nach kürzester Zeit einfach nicht mehr. Und so kommt es, das jene, die viele Ängste und Sorgen hatten, überlebten und ihre Gene an uns weitergaben.

 

Physiologisch betrachtet unterscheiden wir uns nicht sonderlich von Steinzeitmenschen. Was in einer extrem feindlichen Umgebung sehr nützlich war, unser Schmerz- und Angstgedächtnis, verkehrt sich in der modernen Welt jedoch zu einem Fluch. Depressionen und Angsterkrankungen sowie unzählige weitere, letztendlich autoimmunologisch bedingte, degenerative Erkrankungen sind inzwischen für einen Großteil der Kosten in unserem Gesundheitssystem verantwortlich. Natürlich sterben immer noch Menschen in Verkehrsunfällen oder an anderen „natürlichen“ Todesursachen. Der weitaus größte Teil jedoch, nicht nur der Todesfälle sondern vor Allem der unvorstellbaren Menge des „stillen Siechtums“ und elendigen weil ohnmächtigen Leidens vieler Menschen, hat seine Ursache nicht mehr in einer feindlichen Umwelt sondern in einem verdorbenen „Inneren Milieu“. Anders ausgedrückt: In der aktuell noch weitgehend brach liegenden aber durchaus erlernbaren Fähigkeit zur Selbstregulation.

 Louis Pasteur

In diesem Bild von Albert Edelfelt betrachtet Louis Pasteur eine Flasche, in der an einem Faden das getrocknete Rückenmark eines tollwütigen Kaninchens über einem Trocknungsmittel hängt. Pasteur ist der Begründer der Impfstoff-Industrie. – Ist es möglich, dass die Impfdebatte das eigentlich Thema verfehlt? Impfungen mögen dem Menschen nutzen oder schaden. Viel interessanter ist doch, wie der nächste evolutive Schritt des Menschen aussieht. Je höher ein Wesen entwickelt ist, umso größer ist seine Fähigkeit zur Eigenregulation. Exemplarisch lässt sich das an der Wärmeregulation zeigen. Während Pflanzen, Pilze, Fische, Amphibien und Reptilien mit ihrem Stoffwechsel noch auf das Sonnenlicht angewiesen sind, können Vögel und Säugetiere ihre Körperwärme weitgehend unabhängig von der Umgebungstemperatur selbst regulieren. Könnte das Gleiche auch für unser Immunsystem gelten? Vieles spricht dafür! Ein extremes Beispiel für diese These ist der "Iceman" Wim Hof –  der offenbar gegen jede Form von Virusinfektionen immun zu sein scheint und diese Eigenschaft auch erfolgreich lehrt.

 In der Antike glaubte man, dass die Gesundheit des Menschen – ein mal abgesehen vom „Willen der Götter“ – im Wesentlichen von dem Zusammenspiel unterschiedlicher Körpersäfte abhing. In östlichen Gesundheitslehren finden wir heute noch ähnliche Vorstellungen von einer universellen Lebensenergie, die dort „Prana“, „Ki“ oder „Chi“ genannt wird. Noch im späten 19. Jahrhundert glaubte der „Vater der Mikrobiologie“ und Entwickler der ersten Impfstoffe Louis Pasteur (1822 – 1895) höchstpersönlich an eine nicht rein physisch erklärbare, vitalistisch gedachte Lebenskraft. Der Begriff „Milieu Interieur“ geht auf Pasteurs Zeitgenossen Claude Bernard (1813 – 1878) zurück und bezieht sich auf jene 60-70% Flüssigkeit des menschlichen Körpers, welche heute als „Extrazelluläre Matrix“ bezeichnet werden. Walter Cannon (1871 – 1945) griff Bernards Milieu-Begriff auf und entwickelte daraus das Konzept der "Homöostase". Norbert Wiener (1894 – 1964) wiederum übertrug Cannons Begriffe auf die Kybernetik. Und so gelangte die diffuse Idee einer obskuren „Lebenskraft“ früherer Jahrhunderte als die „Fähigkeit zur Selbstregulation“ in die moderne Naturwissenschaft, wo sie bis heute als eine der primären Eigenschaften aller lebendigen Systeme gilt.

 

Nun die gute Nachricht: Optimismus kann man lernen. Der „Vater der positiven Psychologie“ – nicht zu verwechseln mit dem nachweislich schädlichen „Positivem Denken“ – Martin Seligman meint, ein „optimistischer Erklärungsstil“ könne systematisch erlernt werden, was sich wiederum positiv auf das "Milieu" auswirkt. Seligman hat sich in den Fünfzigerjahren intensiv mit dem Phänomen der „Erlernten Hilflosigkeit“ befasst. Tiere, denen willkürlich und wiederholt Schmerzen zugefügt wurden, ohne dass diese Tiere aktiv etwas dagegen unternehmen konnten, wurden bald apathisch und resignierten. Die Tiere blieben auch dann noch untätig und lethargisch in ihren Käfigen liegen, wenn die im Labor simulierten Umwelt-Bedingungen sich längst wieder geändert hatten. Ein mal konditioniert, blieben die Versuchstiere bis zu ihrem elenden Ende in dem ohnmächtigen Verhaltensmuster „Erlernte Hilflosigkeit“ gefangen. Ihr Immunsystem war –  davon können wir ausgehen –  nachhaltig geschwächt. Damit gleichen sie in gewisser Hinsicht den genetisch prädisponierten Pessimisten unter uns, die sich in einer unglaublich sicheren, modernen Umwelt immer noch so verhalten, wie extrem paranoide – und leider dann oft auch gewalttätige – Steinzeitmenschen.

 

Ein optimistischer und ein pessimistischer Erklärungsstiel für ein als negativ bewertetes Erlebnis unterscheiden sich nach Seligmans Forschung fundamental in dreierlei Hinsicht: 1. Die voraussichtliche zeitliche Dauer , 2. Das Ausmaß des angerichteten Schadens und 3. Die Herleitung der vermeintlichen Ursachen. Beziehen wir das zur besseren Veranschaulichung auf die aktuelle Corona-Krise. Der Pessimist denkt – unbewusst – dass diese Krise „sehr lange“ andauern und die Welt „für immer“ – natürlich zum Negativen hin – verändern wird (1). Diese negativen Veränderungen werden „alle Lebensbereiche“ betreffen (2). Schuld an der Krise sind wahlweise die Natur, die Regierung, die Chinesen, das Pharma-Kartell, „Dunkle Mächte“, Außerirdische oder Bill Gates höchstpersönlich. In jedem Fall steckt ein finsterer Plan dahinter, der mich meiner durch zahllose heroische Opfertaten teuer erkämpften persönlichen Freiheiten berauben will (3). Der Optimist dagegen denkt, dass die Krise in absehbarer Zeit vorüber sein (1) und sich dann kaum noch jemand daran erinnern wird (2). Der Optimist  der sich selbst nicht für das Zentrum des Weltgeschehens hält, wie der Pessimist  übt sich in der Haltung der Pronoia: der vollkommen unbegründbare Anfangsverdacht  eine ethischen Entscheidung also  dass es das Universum letztendlich gut mit ihm meinen könnte (3).

Die beiden Erklärungsstile lassen sich auch auf positive Erlebnisse übertragen. Angenommen – rein theoretisch, versteht sich – jemand schriebe einen Blogpost und komme darauf hin zu dem Schluss, dass ihm damit etwas Großartiges gelungen sei. Der Pessimist denkt nun, dass es sich dabei um eine nur kurz andauernde (1), völlig isoliert stehende (2) Zufälligkeit (3) handeln muss. Der vom erschreckend weit verbreiteten Impostor-Syndrom Betroffene denkt tief in sich, dass alles Gute, was ihm zufällt, im Grunde auf einem Irrtum beruhen muss, welcher früher oder später aufgedeckt wird. Der Optimist dagegen denkt, dass dies erst der Anfang (1) einer langen Serie von erfolgreichen Erlebnissen in seinem Leben (2) sein wird, die letztendlich darauf beruhen, was für ein geiler Kerl (3) er selbst ist.

Die Frage nach dem "richtigen" Erklärungsstil kann nicht "objektiv" entschieden werden. So wie alle ethische Entscheidungen bleibt es letztendlich eine Glaubensfrage. Glaube ist ein Entschluss darüber, was ich "in Treue meinem Handeln zu Grunde lege". Wenn "Ich" – wie sowohl Buddha als auch die moderne Hirnforschung uns Nahe legen – nur eine Gewohnheit bin, dann kann ich, mit viel Geduld und Übung, auch lernen, ein Optimist zu sein und dadurch mein Immunsystem natürlich und nachhaltig modulieren bzw. selbst regulieren.

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